(Finanz-)mathematische Hintergründe und Begriffe

Finanzmathematische Hintergründe

Der aktuelle Kurs der Aktie "Airport" liegt heute bei 11 Punkten. Wir schreiben dafür:

Das bedeutet, der Aktienkurs der Airport-Aktie zum Zeitpunkt ist 11. Bei wie vielen Punkten könnte der Aktienkurs zu einem zukünftigen Zeitpunkt (z.B. morgen) liegen? Gefragt wäre also , der Aktienkurs zum Zeitpunkt . (Das Zeitintervall "heute bis morgen" ist ein Tag, wir bezeichnen es mit .) Da es nicht möglich ist, den Aktienkurs (auch Wert oder Preis der Aktie genannt) für einen zukünftigen Zeitpunkt zu berechnen oder vorherzusagen, können wir nur mit Hilfe eines geeigneten mathematischen Modells (Zufallsprozess) eine mögliche Kursentwicklung simulieren.

Wiener'sches Aktienkursmodell

Ein häufiger Prozess, der in solchen Fällen verwendet wird, ist das sogenannte "Wiener'sche Aktienkursmodell". Nach diesem Modell könnte ein möglicher morgiger Wert des Aktienkurses wie folgt ermittelt werden:
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Diese Formel sieht kompliziert aus, aber genauer betrachtet sieht man folgende Aspekte sofort:
  • Der Wert der Aktie heute () beeinflusst den Aktienkurs von morgen ().
  • Die rechte Seite hat eine ähnliche Struktur wie die Formel für exponentielle stetige Verzinsung (die du vielleicht schon kennst). Bei dieser ändert sich das Anfangskapital nach einem Zeitintervall bei einer fixen Verzinsung von folgendermaßen (dabei ist das Zeitintervall vom Zeitpunkt 0 bis Zeitpunkt 1): Falls du diese Art der Verzinsung noch nicht gesehen hast, kennst du vielleicht die Verwendung der Exponentialfunktion für Wachstums- und Zerfallsprozesse: , wobei der Anfangswert und die Wachstums- bzw. Zerfallskonstante ist. Bei dem Wiener'schen Prozess handelt es sich um ein ähnliches Modell.
Nun betrachten wir noch die einzelnen Bestandteil des Exponenten:
  • bzw. : So wird häufig die Zeit, genauer das Zeitintervall zwischen 0 und 1, benannt (in unserem Fall 1 Tag). Da in der Finanzmathematik üblicherweise das Jahr als Zeiteinheit genommen wird, beträgt . (Anmerkung: in der Realität werden dabei oft nicht alle Tage des Jahres sondern nur die Handelstage berücksichtigt. Der Einfachheit halber werden wir diesen Aspekt vernachlässigen.)
  •  : Mit wird oft die erwartete Rendite (oder Trend) des Aktienkurses bezeichnet. In unserem Beispiel ist der Wert von aus den Angaben bekannt. Eine erwartete Rendite von 0,4 (wie in unserem Beispiel für die Aktie Airport) heißt in Prozent ausgedrückt 40%. Das bedeutet, dass man im kommenden Jahr für die Aktie einen Gewinn von 40% erwarten kann.
  •  : Mit wird oft die Volatilität der Aktienrendite bezeichnet. Die Volatilität sagt uns, mit welcher Abweichung vom erwarteten Wert wir durchschnittlich zu rechnen haben und gibt somit eine Schwankungsbreite an. In unserem Beispiel ist die Volatilität 0,6 d.h. in Prozent ausgedrückt 60%. Das bedeutet, dass man im kommenden Jahr für die Airport Aktie einen Gewinn von 40% mit einer durchschnittlicher Abweichung von 60% erwartet, also einen Gewinn bzw. Verlust im Bereich von voraussichtlich -20% bis 100%. In unserem Beispiel ist der Wert von auch aus den Angaben bekannt.
  •  : ist eine normalverteilte Zufallsvariable . Diese stellt den Zufall dar, der den zukünftigen Kurs einer Aktie beeinflusst.

Begriffe

  • Aktie: Eine Aktie ist ein Anteilspapier, die ein Miteigentumsrecht an einer Firma verbriefen. Sie dokumentiert, dass der Inhaber Kapital in die Firma eingebracht hat.
  • Aktienkurs (Aktienpreis): Der Preis bzw. Kurs einer Aktie wird u.a. durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage an der Börse bestimmt. (Götz, S., Schweiger, C., & Diboky, F. (2007). Mathematik-Lehrbuch Wirtschaft. Wien: öbv&hpt Verlag.)
  • Erwartete Rendite einer Aktie: Die (diskrete) erwartete Rendite eines Aktienkurses (auch Trend oder Erwartungswert einer Aktie) entspricht dem geschätzten Wert, den die Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft, z.B. in einem Jahr, mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit haben wird. wird von Statistikern oder Finanzanalysten zum Beispiel aus historischen Daten des Produktes berechnet oder geschätzt und dann veröffentlicht.
  • Volatilität einer Aktie: Die Volatilität eines Aktienkurses wird oft mit bezeichnet und ebenfalls wie die Rendite basierend auf statistischen Berechnungen veröffentlicht. Der Ausdruck Volatilität wird häufig in der Finanzmathematik verwendet, ist aber nichts anderes als die Standardabweichung (Wurzel der Varianz) der Rendite. stellt ein Risikomaß eines Finanzproduktes dar.
  • Normalverteilte Zufallsvariable: Lässt sich die Wahrscheinlichkeitsverteilung einer Zufallsvariablen X durch eine Gauß'sche Glockenkurve mit den Parametern und beschreiben, so wird die Zufallsvariable X normalverteilt mit den Parametern  und genannt (kurz: N(,)). (Bleier, G., Lindenberg, J., Lindner, A., & Stepancik, E. (2012). Dimensionen Mathematik 8. Wien: Verlag E. Dorner.)
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